Montag, 8. August 2011

Wie erfährt man das absolute, transzendentale SEIN im täglichen Leben?

Da das SEIN transzendentaler Natur ist, kann man es nicht im relativen Leben "erfahren".

Das, was mit "Ich bin" beschrieben wird, ist der innere Beobachter. Ist man am Anfang seiner spirituellen Suche noch regelmäßig mit seinem kleinem Ego identifiziert, wenn man sich fragt "Wer bin ich?", so ändert sich diese Identifikation später schrittweise in Richtung eigener Beobachter. Man bemerkt mehr und mehr eine Instanz in sich, die als "Beobachter all des Erlebten" fungiert. Und dieser Beobachter beobachtet auch das "Ich", das kleine Ego, mit dem man identifiziert ist. So kommt der Widerspruch zwischen dem Ego und dem Beobachter zustande und das Ich fängt an sich zunehmend mit dem Beobachter zu identifizieren. Im weiteren Verlauf der Praxis merkt man, dass er unter allen Umständen erhalten bleibt, also auch und gerade in Situationen, wo man normalerweise die "Kontrolle" verliert. Das sind meistens Situationen und Erlebnisse, die mit großen Gefühlen einhergehen, wobei es egal ist, ob diese Gefühle nur erinnert sind, ober tatsächlich im Hier und Jetzt (Realtität) erlebt werden.

Allein diese Erfahrung, dass der Beobachter eine andere innere Instanz ist, die viel stabiler ist, als die des kleinen Ego, bringt große Änderungen im täglichen Leben mit sich. Man fühlt sich sicherer mit sich selbst, man hat das Gefühl "größer" im Sinne von erwachsener zu sein, hat also mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstsicherheit, fühlt sich emotional stabiler, weil man nicht mehr das Gefühl hat, dass einen die großen Gefühle des Lebens überwältigen können. Man rastet nicht mehr so schnell aus, wenn andere Menschen die entscheidenden Knöpfe bei einem drücken. Dies ist eine erste Stufe, die man erreicht durch die Übung der Selbstbeobachtung.

Der nächste Schritt in der Entwicklung wird oft missverstanden, wahrscheinlich, weil er nicht von so vielen Menschen erfahren wird. Und das ist verständlich, denn dieser nächste Schritt erfordert ein Vordringen in einen Bereich, der an sich außerhalb jeder Erfahrung und Erfahrbarkeit liegt, und doch haben wir die Möglichkeit dorthin vorzudringen. Und das geschieht, wenn man in seiner Praxis anfängt den Beobachter nicht mehr nur all die Wahrnehmungen und Erfahrungen der Außenwelt beobachten zu lassen und die Zustände des eigenen Innenraumes in Form von Gedanken und Gefühlen, sondern indem man anfängt den Beobachter selbst zu beobachten.

Wenn man sich darauf fühlend einlässt, bemerkt man in zunehmenden Maße wie groß der innere Beobachter eigentlich wirklich ist. Hatte man am Anfang dieser Übung der Selbstbeobachtung eher das Gefühl einer inneren Begrenztheit, merkt man nach einiger Zeit der Übung, dass sich Innendrin ein immer größer werdender freier Raum auftut. Und wenn man seine Aufmerksamkeit dann auf diesen freien Raum richtet, merkt man, dass das der eigene innere Beobachter ist.

Der innere Beobachter, dieses Gefühl von "Ich bin" ist innerlich unendlich groß. Man kann stundenlang auf dem Sofa sitzen mit geschlossenen Augen und in diesem freien Raum baden. Der Beobachter nimmt sich selbst in seiner Unbegrenztheit wahr und alle anderen Wahrnehmungen tauchen als Erscheinungen in diesem Raum auf. Alles Wahrgenommene ist nur eine Erscheinung in diesem Bewusstseinsraum, der der eigene Beobachter ist.

Diese Erfahrung der eigenen inneren Unendlichkeit ist eine wichtige und transformierende Erfahrung, denn bisher kannte man nur die Unendlichkeit im Äußeren, jetzt ist eine weitere Unendlichkeit hinzugekommen, die Innere. Der eigene Innenraum ist nicht mehr begrenzt. Man fühlt sich wohler in seiner eigenen Haut, hält sich selbst besser aus und muss nicht immer sofort nach Außen gehen um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Man kann jetzt einfach mal seine Wünsche an sich nehmen, bei sich behalten und tief im Inneren reifen lassen, zuschauen, wie die Dinge sich Schritt für Schritt in Ordnung bringen, sich entwickeln und von alleine in Erfüllung gehen. Bewusste Wunscherfüllung wird möglich und tritt in das eigene Leben ein. Die eigene Wahrnehmung fängt an sich zu ändern, Schritt für Schritt, und immer aufbauend auf dieser inneren bewussten Erfahrung der eigenen Unendlichkeit des Beobachters.

Im nächsten Schritt wird folgendes erfahren:
Ein Zustand von unglaublicher Stille, einer Stille, die so groß ist, dass man das Gefühl hat, sich mit allem, was man glaubt zu sein, aufzulösen. Dies ist ein körperlich, gefühlsmäßiger und geistiger Zustand. Man spürt, wie man sich in einen Zustand hinein auflöst, in dem nichts mehr ist, nur noch man selbst, der Beobachter. Alle weiteren Wahrnehmungen stoppen. Man steht einfach still. Der Beobachter beobachtet sich nur noch selbst. Es gibt keine anderen Bewusstseinsinhalte mehr. Nur noch der Beobachter selbst.

Und da merkt man, das der Beobachter reines Bewusstsein ist. Reines Bewusstsein beobachtet sich selbst. Mehr nicht. Sonst ist nichts da.

Und wenn man wieder raus kommt aus diesem Zustand merkt man, dass man in diesem tiefen Zustand der Stille nicht im eigentlichen Sinne wahrnehmen konnte, weil ja alle Wahrnehmung gestoppt war, sondern nur sein konnte.

Dieser extreme Zustand der Stille ist ein Seinszustand. Man kann ihn nicht wahrnehmen, sondern man kann ihn nur sein. Und man merkt sofort, dass dieser Zustand das eigentliche Selbst ist. Der eigentliche innere Beobachter, seine eigentliche Natur. Dieser Zustand ist die Ursache für den Beobachter und  das Gefühl von "Ich bin". Dieser Zustand ist die "Erfahrung" des universellen SEINS, das die Ursache und der Urgrund aller Schöpfung ist, der individuellen wie der materiellen. Wir nennen das auch die Transzendenz, das Absolute.

Diese "Erfahrung" bringt zum ersten Mal das ins Leben, was Dualität (dvaita) genannt wird. Auf der einen Seite erfährt man die relativen Werte des Lebens, auf der anderen Seite hat man den Zugang gefunden zu dem Bereich der unendlich und unveränderlich ist, dem Zustand des SEINS.

Beide Erfahrungen, beide Zustände bestimmen von nun an das weitere Leben. Und das ist ein ganz wichtiger Erleuchtungsschritt. Man ist sich zum ersten Mal der Dualität des Lebens durch eigene Erfahrung bewusst geworden. Vorher hat man nur darüber nachgedacht und sich in eine erkenntnismäßige Stimmung der Dualität versetzt. Jetzt hat man diesen Zustand des SEINS selbst "erfahren", indem man selbst zum SEIN geworden ist. Wie gesagt, man kann diesen Zustand nicht erfahren, weil alle Wahrnehmungen gestoppt sind, sondern nur sein.

Die Erfahrung dieses neuen Seinszustandes (Bewusstseinszustandes) ist der eigentliche Anfang, der große Schritt hin zur Erleuchtung. Eine wirkliche Voraussetzung für alle weiteren Schritte, die dann kommen, denn aus der Erfahrung der Dualität soll ja noch eine Einheit (A-davaita) werden.